Max Nemitz
Max Nemitz wurde als Sohn bäuerlicher Eltern 1888 in Damerkow
bei Bütow geboren. Nach Abschluss der Volksschule besuchte er die
Präparandenanstalt und das Lehrerseminar in Bütow. Im August 1908 legte
er die 1. Lehrerprüfung ab. Als junger Lehrer ist er an mehreren
Schulen, zumeist als Vertreter, tätig gewesen, u.a. 1909-10 in Groß
Tuchen.
Vom 1.4.1912 bis zum Einbruch der Roten Armee 1945 war er
Hauptlehrer in Trzebiatkow/Radensfelde, Kreis Bütow.
1945 wurde er von den Russen verschleppt. Auf dem Marsch nach Osten
übergab man ihn in Ostpreußen zusammen mit andern Gefangenen den Polen.
Max Nemitz war in Polen bis zum Sommer 1949 Gefangener und
Zwangsarbeiter in Potolicze.
Im Juni 1949 wurde er freigelassen. Er fand Zuflucht in Aachen,
wo seine Frau Berta und die jüngere Tochter Annemarie nach der Flucht
bereits in einem Haus auf ihn warteten, das Heinz Harms, Ehemann der
ältesten Tochter Liselotte, vorsorglich gebaut hatte. Max Nemitz war
arbeitsunfähig und wurde pensioniert. Er widmete nun sein Leben der
geliebten Heimat, arbeitete intensiv in der Pommerschen Landsmannschaft
mit, pflegte den Kontakt zur Bütower Partnerstadt Frankenberg/Eder und
hielt literarischen Kontakt zur Pommernzeitung.
Seine bäuerliche Herkunft konnte er nie verleugnen. Er liebte seinen
Garten, kultivierte spezielle Pflanzen, baute sich wieder eine Imkerei
auf und freute sich an seinen Enkeln. Max Nemitz starb 1970 im Alter
von 82 Jahren in Aachen.
Von ihm sind erschienen:
1920 "Feldblumen", Gedichte, Aurora Verlag, Dresden.
1930 "Aus dem Reigen des Lebens", Romantik-Verlag, Leipzig.
Beide Bücher sind vergriffen und durch die Kriegswirren
verlorengegangen.
1965 "Vom Lebensweg. Pommersche Lyrik", Selbstverlag Aachen
Hier wiedergegebene plattdeutsche Gedichte
(Übertragungen ins Hochdeutsche durch Heinz Radde):
- Hus in Pommern (Haus in Pommern)
- Afschied (Abschied)
- Hamkehr (Heimkehr)
- Hamkehr taur Modder (Heimkehr zur Mutter)
- An mien Modder (An meine Mutter)
- Wihnacht (Weihnachten)
Max Nemitz in Bibliotheken:
Staatsbibliothek Berlin : "Aus dem Reigen des Lebens"
von Max Nemitz
Erschienen: B.-Zehlendorf: Romantik-Verl., 1930, 77 S. 8".
Signatur: Yo 38963
Standort: Bestand erfragen / Kriegsverlust moeglich
Ausleihstatus: Benutzung nur im Lesesaal
Deutsche Bücherei Leipzig:
"Feldblumen" Gedichte von Max Nemitz
Verleger: Dresden-Weinböhla : Aurora
Erscheinungsjahr: 1920
Umfang/Format: 118 S. ; 8
Signatur: 1921 A 295
Groß Tuchen: Geschichte, Kultur,
Soziologie und Genealogie eines Dorfes in Hinterpommern
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Pommersche Lyrik
Hus in Pommern
Ut Fachwark bugt un Strohdach drupp, Flederbüsch in de Ecke. Dorhinner een Gorde, wiet un wild, worin de Baufink hecke.
Un op dem Hoff dor schnattre Gäus, dor kreigt de Hoahn taum Noaber. Et schleppt de Hund im Sünneschin so fuhl im warme Schoaber.
Hoch äwer allem singt de Lerch un trecke de Wulke so sachte, ganz still , verdrömt, un voller Rauh, as wulle sei leiwerst hier nachte.
Doch ut dem Hus sien Finsterglas kiekt hinner bunte Blaume so trug dat stille Glück herut, as hedd't hier Woahnung naume.
------------------------------------------ Haus in Pommern
Aus Fachwerk gebaut und ein Strohdach darauf, Fliederbüsche in der Ecke. Dahinter ein Garten, weit und wild, worin der Buchfink nistet.
Und auf dem Hof, da schnattern Gänse, da kräht der Hahn zum Nachbarn. Es schläft der Hund im Sonnenschein so faul in der warmen Scheune.
Hoch über allem singt die Lerche und ziehen die Wolken so sachte, ganz still, verträumt und voller Rauch, als wollten sie am liebsten hier übernachten.
Doch aus des Hauses Fensterglas schaut hinter bunten Blumen so traut das stille Glück heraus, als hätte es hier Wohnung genommen.
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Afschid
Nu stah ick up dem letzte Barg Un kiek mi noch eis üm. "Min Sähn, kehr üm, kehr üm!"
Dor liggt min Dörp im greine Toal,
dor steiht min Vaderhus. Un alles winkt, un alles spreckt: "Gah nich, min Sähn, bliw t'Hus!"
Un all de Böm üm Hus un Hoff Sei winke all tausam Un strecke all ehr Arme ut Un raupe: "Sähn, bliw ham!"
Im Wüschegrund de kleene Beek, so brust sei ni as hüt. Sei reppt un reppt: "Kumm blot taurück, min Frind, noch is es Tid!"
Uck all de Vägel, grot un lütt, dei raupe immertau: "Kehr üm, kehr üm, hier woahnt dat Glück, blot hier allein is Rauh!"
Dor ward et mi so wunnerlich, so weih ward mi tau Maud. "Bliew hier, kehr üm!" so pocht un reppt in mine Bost dat Blaut. Dat Hart so schwor, un ick mutt gahn. Dat is min Trost in disse Stunn, denn bin ick wedder dor.
------------------------------------------- Abschied
Nun steh' ich auf dem letzten Berg Und schau mich nochmals um. Da ist es, als riefe die Heimat mir: "Mein Sohn, kehr um, kehr um!"
Da liegt mein Dorf im grünen Tal, da steht mein Vaterhaus. Und alles winkt, und alles spricht: "Geh' nicht, mein Sohn, bleib' zu Haus!"
Und all' die Bäume um Haus und Hof sie winken alle zusammen und strecken alle ihre Arme aus und rufen: "Sohn, bleibe daheim!"
Im Wiesengrund der kleine Bach, so brauste er nie wie heut'. Er ruft und ruft: "Komm' bloss zurück, mein Freund, noch ist es Zeit!"
Auch all die Vögel, gross und klein, die rufen immerzu: "Kehr um, kehr
um, hier wohnt das Glück, bloss hier allein ist Ruh'!"
Da wurde es mich so wunderlich, so weh wurde mir zu Mute. "Bleib' hier, kehr um!" so pocht und ruft in meiner Brust das Blut.
Das Herz so schwer, und ich muss gehn. Doch ist vorbei das Jahr, das ist mein Trost in dieser Stund', dann bin ich wieder da.
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Hamkehr
Nu stah ick na so lange Johr vör minem Vaderhus, un in mi reppt un
klingt et froh: "Nu bist du wedder t´Hus"
Dat Hart et pocht bet in de Hals. Ick kam mi ganz so vör, as stunn ich so as kleene Jung vör eine Wihnachtsdör.---
Noch alles is, so wi et was, as in de Wilt ick truck. Et grisse hinnerm Finsterglas mi Blaume frisch un schmuck.
Un rechts und links de olle Böm, die singe noch dat Lied, dat sülve, as ick Afschid nahm, vör nu so lange Tid.
Un wat so wunnerlich mi was, ei Voagel sung dorin genau wi
dunn, as kam hei nu irst mit dem Lied tau Enn.
Doch as ick ging dörch Dör und Dör, was et doch anners gor. Keen Minsch nahm mi so leiw tau Hand as eis vör väle Johr.
Et were alles fremde Lüd un fremd sach alles ut. Dor word dat Hart mi gor so schwor, un alles drew mi rut. ---
Doch in min Hart dor lewt dat Hus so as vör väle Johr, wenn ick so in de Schommertid im Droam na´r Heimat fohr.
-------------------------------------- Heimkehr
Nun
stehe ich nach so langen Jahren vor meinem Vaterhaus, und in mir ruft und klingt es froh: "Nun bist du wieder zu Hause!"
Das Herz es pocht bis in den Hals. Ich kam mir ganz so vor, als stünde ich so als kleiner Junge vor einer Weihnachtstür. ---
Noch alles ist, so wie es war, als in die Welt ich zog. Es grüßen hinterm Fensterglas mich Blumen frisch und schmuck.
Und recht und links die alten Bäume, die singen noch das Lied, das selbe, als ich Abschied
nahm, vor nun so langer Zeit.
Und was mir so wunderlich war, ein Vogel sang darin, genau wie damals, als käme er nun erst mit dem Lied zu Ende.
Doch als ich ging durch Tür und Tür, war es doch anders gar. Kein Mensch nahm mich so lieb an die Hand wie einst vor vielen Jahren.
Es waren alles fremde Leute und fremd sah alles aus. Da wurde das Herz mir gar so schwer, und alles trieb mich raus. ---
Doch in meinem Herzen da lebt das Haus so wie vor vielen
Jahren, wenn ich so in der Dämmerung im Traum in die Heimat fahre.
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Hamkehr taur Modder
Lat mi an dienem Harte rauge so äs vör väle Johr, striek mi mit diene weike Hänge as eis dörch´t griese Hoar.
Nimm denn mien Hart, dat kranke, meide, in diene Modderhäng. Warm du et up un moak et selig noa schwore Läwensgäng.
Un wenn du spreckst, säg blot drei Wörde, ganz lies: "Mien leiwe Kind!" Denn
bin ick t´Hus, denn bin ick selig, bin rut ut Storm un Wind.
----------------------------------------- Heimkehr zur Mutter
Lass mich an deinem Herzen ruhen, so wie vor vielen Jahren, streich mir mit deinen weichen Händen wie einst durch´s graue Haar.
Nimm dann mein Herz, das kranke, müde, in deine Mutterhände. Wärm du es auf und mach es selig. nach schwerem Lebensgang.
Und wenn du sprichst, sag bloß drei Worte, ganz leis: "Mein liebes Kind!" Dann
bin zu Hause, dann bin ich selig, bin raus aus Sturm und Wind.
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An mien Modder
Nu ging de Dag mit soväl Oarbit un soväl Ploag tau Enn. Et is all spoat, dor trettst du, Modder, vör diene Gott still hen.
Du sinkst in diene meide Kneie, de Häng leggst ineinand un bädst för mi, so deip un innig, för mi im fremde Land.
Dat feihl ick wull. Denn is´t mi immer, as wenn dien Hand mi fat un wedder in de Wundergorde de
Kindheit rinnerlat.
Denn ward et mi so woll tau Maude, so hell un licht mien Sinn. Denn sind vergäte alle Sorge und selig schloap ick in.
----------------------------------------- An meine Mutter
Nun ging der Tag mit soviel Arbeit und soviel Plage zu Ende. Es ist schon spät, da trittst du, Mutter, vor deinen Gott still hin.
Du sinkst in deine müde Knie, die Hände legst ineinander und betest für mich, so tief und innig, für mich im fremden Land.
Das
fühle ich wohl. Dann ist es mir immer, als wenn deine Hand mich fast und wieder in den Wundergarten der Kindheit hereinlässt.
Dann wird es mir so wohl zu Mute, so hell und leicht mein Sinn. Dann sind vergessen alle Sorgen und selig schlaf ich ein.
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Wihnacht
Nu kümmt dat leiwe Wihnachtsfest so sachten in dat Land Väl Tuscheln giwwt et hier un dor, väl Arbit för de Hand.
Im witte Kleed stoahn Bosch
un Bom und Dörp un Hus un Field. De Sternkes bläkere as Gold vom Himmel in de Wilt.
De Minsche sind so anners gor, heimlich un doch vertrut. Von allem Reden, is et mi, geiht Fräd un Segen ut.
Mi is´t, as wenn ganz noa tausam dat kleene Dörp is rückt. Ut jedem Finster, rick un arm, de Fräde ruterkiekt. Kümmt denn de Hillig Oawend sacht in´t stille Dörp herin, is´t, as leit mi de Hillge Christ taum annere Land herin.
Dor
singe Klock un Kinnerstimm so seit an ni im Joahr. Tau Kinner ware sülwsten wi im brun un witte Hoar.
----------------------------------- Weihnachten
Nun kommt das liebe Weihnachtsfest so sachte in das Land. Viel Tuscheln gibt es hier und da, viel Arbeit für die Hand.
Im weißen Kleid stehen Busch und Baum und Dorf und Haus und Feld. Die Sterne glitzern wie Gold vom Himmel in die Welt.
Die Menschen sind so ganz anders, heimlich und doch vertraut. Von
allem Reden, ist es mir, geht Friede und Segen aus.
Mir ist es, als wenn ganz nahe zusammen das kleine Dorf gerückt ist. Aus jedem Fenster, reich und arm, der Friede raus schaut.
Kommt dann der Heilige Abend sacht in das stille Dorf herein, ist es, als leite mich der Heilige Christ in das andere Land herein.
Da singen Glocken und Kinderstimmen so wie es nie im Jahr war. Zu Kindern werden wir selbst im braunen und weißen Haar.
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