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Kurze Geschichte Pommerns: Inhaltsverzeichnis
This Site in English: Pomerania as a Prussian Province
Pomeranian_Griffin: Weltweite Pommern-Gruppe für Geschichte, Kultur und Genealogie

7. Pommern als preußische Provinz (1815 - 1945)

Die Einrichtung Pommerns als Provinz des Königreichs Preußen zog sich bis 1818 hin. Ganz Pommern war nun Teil eines modern-rational, straff und sparsam verwalteten differenzierten Einheitsstaates, in dem bis zur Jahrhundertmitte ein erneuerter aufgeklärter Absolutismus von sehr fähigen, verantwortungsbewußten Beamten restauriert wurde. Das historische Gebiet Pommern wurde um die bisher zur Neumark gehörenden Kreise Dramburg und Schivelbein erweitert und war gut 30 000 qkm groß. Die Provinz zählte etwas mehr als 680 000 Einwohner. Es wurden drei Regierungsbezirke gebildet: Stettin, Köslin und Stralsund. Darunter wurden 1818 Land- und Stadtkreise eingerichtet, die 1825 eine Ordnung erhielten. Zunächst gab es 2 668 Landgemeinden, deren Zahl bis 1850 auf 3.405 und bis 1910 auf 4473 anstieg. Die Landgemeindeordnung von 1856 wurde 1891 und 1928 durch neue Bestimmungen ersetzt und reformiert. Die Einwohnerzahl Pommern wuchs bis 1855 auf knapp 1 300 000 Menschen an.

Von den drei Regierungsbezirken war der Stralsunder mit Abstand der kleinste und umfaßte Neuvorpommern. Dank der vertraglichen Vereinbarungen mit Schweden wurde ihm eine Sonderstellung eingeräumt. Die dortigen Verhältnisse wurden nur sehr langsam den allgemein-preußischen angepaßt, z.B. fanden das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 und die Städteordnung von 1808 keine Anwendung. Als 1823 in den preußischen Provinzen die zunächst ständisch zusammengesetzten Provinziallandtage eingerichtet wurden, gestand man einzig Pommern deren zwei zu: einen Kommunallandtag für die Regierungsbezirke Stettin und Köslin und einen Kommunallandtag für den Regierungsbezirk Stralsund, Neuvorpommern (bis 1881). Erst einem 1875 gebildeten repräsentativ zusammengesetzten einheitlichen Provinziallandtag mußten sie weichen. Diese Gremien waren in Selbstverwaltung für den Straßenbau, das Armen- und Fürsorgewesen und bestimmte Versicherungen (Feuer) zuständig; die Kompetenzen wurden durch die Reformen der 1870er Jahre erheblich erweitert.

- An der Spitze der Provinz stand als Vertreter der Krone der Oberpräsident mit Sitz im Schloß zu Stettin, der bis 1882 zugleich auch Regierungspräsident des Bezirks Stettin war. Ihr bedeutendster war der aus Kleve stammende Johann August Sack, der das Amt von 1816 bis 1831 innehatte und zu den preußischen Reformern zählte.

Neuvorpommern behielt sein Oberappellationsgericht in Greifswald mit vier nachgeordneten Kreisgerichten und einigen weiterhin selbständigen Stadtgerichten (bis 1849). 1837 wurde das bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 gültige "Provinzialrecht des Herzogtums Neuvorpommern und des Fürstentums Rügen" aufgezeichnet. In den altpreußischen Gebieten gab es die Oberlandesgerichte in Stettin und Köslin. Darunter sprachen 45 Stadtgerichte, Schloß-, Hof- und Burggerichte Recht. 1879 wurde das Gerichtswesen nach entsprechenden Reichsgesetzen neu geordnet. Pommern erhielt ein Oberlandesgericht in Stettin. Darunter wurden in zweiter Instanz fünf Landgerichte (Greifswald, Stettin, Stargard, Köslin, Stolp) eingerichtet, unter denen es als erste Instanz 59 Amtsgerichte gab; jede Kreisstadt hatte mindestens ein Amtsgericht (Stand 1912).

An die Spitze der Kirche in Pommern standen zunächst die Generalsuperintendenten in Stettin und Greifswald und das Konsistorium in Stettin, dessen Präses der Oberpräsident war. Erst mit dem Tod des letzten Generalsuperintendenten für Schwedisch-Vorpommern 1824 wurde l828 auch dieser Provinzteil dem Stettiner Generalsuperintendenten unterstellt. Wie in ganz Preußen wurde auch in Pommern die Union aus Lutheranern und Reformierten eingeführt; 1822 erschien eine neue Agende, die trotz der Opposition einiger Lutheraner mit Zusätzen für Pommern 1829 in allen Gemeinden eingeführt war. Ab derselben Zeit aber breitete sich die pietistische Erweckungsbewegung aus, die ihr geistiges Zentrum in der Trieglaffer Konferenz von Adolf Ferdinand v. Thadden auf Trieglaff fand. Ab etwa 1835 bis 1850 spalteten sich lutherische Gläubige von der unierten Kirche ab und bildeten altlutherische Gemeinden; einige tausend Lutheraner wanderten aus Glaubensgründen nach Amerika aus. In der unierten Kirche selbst gab es (Stand 1911) 55 Kirchenkreise mit je einem Superintendenten an der Spitze, in denen über 800 Pfarrstellen zur Verfügung standen. 1860 wurde die preußische kirchliche Gemeindeordnung eingeführt, Kreissynoden 1862. Pommern war die protestantischste Provinz in Preußen. Die Zahl der römisch-katholischen Christen stieg von nicht einmal 1 % im Jahre l843 auf gut 3% im Jahre 1910 an. 1843 zählte man 7800 Juden. - Die Kirche und das Konsistorium trugen nicht wenig zur Hebung von Bildung und Kultur in Pommern bei. 1825 wurde ein Provinzialschul-Kollegium eingerichtet, das für das höhere Schulwesen zuständig war und 1845 vom Konsistorium gelöst wurde. In demselben Jahr wurde auch in Neuvorpommern die Schulpflicht eingeführt. Bereits 1824 war auf Initiative Sacks die "Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde" gegründet worden. Die Universität Greifswald, die in der Vergangenheit im Schatten von Uppsala und Lund häufig ein Kümmerdasein fristen mußte, zählte 1815 nur 70 Studenten und 11 Professoren, war jetzt aber die älteste Universität auf preußischem Boden und nahm eine positive Entwicklung. Pommern hatte im 19. und 20. Jahrhundert eine für ganz Preußen und Deutschland vorbildliche Theologen- und Lehrerausbildung. Die Medizinische Fakultät in Greifswald und ihre Kliniken standen denen in Berlin kaum nach. An der Philosophischen Fakultät lehrten z. B. zeitweise hervorragende, erstklassige Philologen und Philosophen, und es wurde die Nordistik gepflegt (Nordisches Institut seit 1918). Trotz oder wegen ihres guten Rufes blieb die Greifswalder Hohe Schule für viele Gelehrte Durchgangsstation nach Berlin. - 1857 wurde in Stettin eine städtische Bildergalerie gegründet, Vorgängerin des Museums auf der Hakenterrasse, und 1858 folgte das Provinzialmuseum für Neuvorpommern und Rügen in Stralsund. Theater gab es beispielsweise in Stettin (Schauspielhaus seit 1849), Greifswald, Stralsund (seit 1776), Köslin und Stargard. Träger kulturellen und künstlerischen Lebens in den Städten waren auch zahlreiche Kaufmannshäuser, auf dem platten Lande manches Gutshaus, z. B. das Schloß Plathe derer v. der Osten mit seiner riesigen Privatbibliothek und seinen Sammlungen.

Pommern war als Folge des jahrhundertelangen Bauernlegens ein Land des Großgrundbesitzes (mehr als 100 Hektar), der fast 60% der land-und forstwirtschaftlichen Nutzfläche besaß, in Neuvorpommern waren es gar etwa 70%. Die großen Güter waren meist in der Hand des Adels, der 1 % der Bevölkerung ausmachte. Wohnten von dieser zu Beginn des 19. Jahrhunderts 16% in Städten und 62% auf dem Lande, so veränderte sich das Verhältnis auf 26, 3% zu 71,7% 1846 und 49,1 % : 50,9 % 1933. Pommern war die wichtigste und bedeutendste Agrarprovinz Preußens, ja des Deutschen Reiches. Im Laufe des frühen 19. Jahrhunderts wurde die Dreifelderwirtschaft von der Schlag- oder Feldgraswirtschaft und der brandenburgischen Koppelwirtschaft (Hinterpommern) abgelöst. Um 1900 lebten 50% der Pommern von der Land- und Forstwirtschaft, 1939 immerhin noch ein Drittel. Der erste Dampfpflug kam 1862 zum Einsatz, 1868 die erste Mähmaschine. Die Kartoffelanbaufläche stieg in Pommern von 2% im Jahre 1815 auf 20% 1939. Dreiviertel der Saatkartoffeln in Deutschland kamen schließlich aus Pommern. Daneben spielte der Fischfang eine immer bedeutendere Rolle, besonders der Heringsfang. Um 1900 wurden jährlich nicht weniger als 20 bis 25 Millionen Kilogramm Fisch angelandet, fast die Hälfte des gesamten Fischfangs in Deutschland. Er wurde von mittleren, Klein- und Kleinstbetrieben geleistet. 1932 gab es in Pommern über 7 000 Berufsfischer.

Auch das agrarisch bestimmte Pommern profitierte allmählich davon, daß es ein Teil Preußens und damit der Präsidialmacht des Deutschen Zollvereins von 1834 war. 1836 wurde die Stettiner Börse erbaut. Seit 1843 gab es die Bahnstrecke von Berlin nach Stettin, das schon seit 1829 über eine tägliche Schnellpostverbindung nach Berlin verfügte. 1863 wurde Stralsund auf dem Schienenwege mit Berlin verbunden. Stettin erhielt später auch direkte Eisenbahnverbindungen nach Danzig, Posen (seit 1848) und Breslau (1856, über Posen) hatte. 1908 maß man in Pommern rund 2000 km Eisenbahn, ergänzt von gut 1300 km Kleinbahnen. 1909 nahm die Eisenbahnfähre zwischen Saßnitz und Trelleborg ihren Betrieb auf, die Berlin mit Stockholm verband. Der Berlin-Stettiner Großschiffahrtsweg wurde 1914 fertiggestellt. Der Hafen zu Stettin (1905: 225 000 Einwohner) nahm zusammen mit dem Vorhafen Swinemünde einen gewaltigen Aufschwung, wozu auch die Aufhebung des Sundzolles 1857 beitrug. Diese Häfen profitierten von dem Erstarken des oberschlesischen Industriegebietes. Schon 1836 galt die Stettiner Schiffsreederei als die größte in allen deutschen Häfen. Stettin erhielt 1898 einen Freihafen und verfügte zu Beginn unseres Jahrhunderts über den drittgrößten deutschen Hafen hinter Hamburg und Bremen. Nur im Raume Stettin, das um 1900 den modernsten Verschiebebahnhof Europas besaß, entwickelte sich deshalb auch eine nennenswerte Industrie. Hier sei stellvertretend der 1856 gegründete ,,Vulkan" zu Stettin genannt, der Schiffe und Lokomotiven fertigte (1906: 6 500 Beschäftigte). Hinzu kamen Zucker-, Ziegel-, Zement-, Papier-, Seifen- und Parfümfabriken, Brennereien, Mühlen sowie Fahrrad- und Nähmaschinenhersteller. - Ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor wurde im Laufe des 19. und erst recht im 20. Jahrhundert der Fremdenverkehr. Pommern besaß nicht weniger als 465 Kilometer Küstenlänge, davon zu einem Teil breiten, feinen Sandstrand. Es entwickelten sich dort nach dem binnenländischen Bad Polzin die pommerschen Ostseebäder Rügenwaldermünde, Putbus, Heringsdorf und Swinemünde, allesamt zwischen 1814 und 1824, dann Kolberg, Ahlbeck, Misdroy, Bansin, Zinnowitz, Dievenow, Binz, Göhren usw., um nur einige Beispiele zu nennen.

Im Ersten Weltkrieg ging die Wirtschaftskraft in Pommern auf allen Gebieten stark zurück. Das Deutsche Reich und seine Verbündeten verloren den Ersten Weltkrieg, der Deutsche Kaiser und König von Preußen Wilhelm II. floh am 9. November 1918 in die Niederlande. Das Deutsche Reich und Preußen wurden Republik und erhielten als Regierungsform eine parlamentarische Demokratie. Die neuen Machthaber mußten in Versailles das Diktat der Siegermächte annehmen. Pommern wurde durch die Schaffung des Korridors für das wiedererstandene Polen, der Ostpreußen vom Reich trennte, über Nacht zum Grenzland. Die Provinz und ihre Hauptstadt verloren einen großen Teil ihrer Handelspartner, aber Stettin konnte seine Position als drittgrößter deutscher Hafen wahren. Trotz mancher revolutionärer Unruhen in einigen pommerschen Städten blieben auch nach 1918 wie im ganzen 19. Jahrhundert die Konservativen die stärkste politische Kraft, die nunmehr in der Deutschnationalen Volkspartei organisiert war. 1930 wurde sie von den Nationalsozialisten überrundet, deren Führer Hitler am 30. Januar 1933 an die Macht kam und die im März 1933 auch die Mehrheit im Provinziallandtag erlangten. 1932 wurde im Zuge der damaligen preußischen Verwaltungsreform der kleine Regierungsbezirk Stralsund aufgelöst und dem Stettiner zugeschlagen, und von 1939 bis 1945 gab es einen weiteren, neuen Regierungsbezirk mit Sitz in Schneidemühl, bestehend aus fünf Kreisen der vorherigen preußischen Provinz "Grenzmark Posen-Westpreußen", den ehemals brandenburgischen Kreisen Arnswalde und Friedeberg sowie den schon vorher pommerschen Kreisen Neustettin und Dramburg. Pommern maß jetzt 39 409 qkm und zählte 1939 knapp drei Millionen Einwohner. Die Gemeindeordnung von 1935 beseitigte die städtische Selbstverwaltung auch in Pommern.

Pommern mit seinen Stränden und Ostseebädern wurde in den 1930er Jahren als Urlaubsziel immer beliebter. 1936 wurden in den etwa 60 pommerschen Ostseebädern 4,6 Millionen Übernachtungen gezählt, was nach Bayern und Schlesien den dritten Platz ausmachte. Aber 1939 waren es dann 9 Millionen Fremdenübernachtungen, und damit hatte Pommern die beiden Mitbewerber überholt und war das am stärksten besuchte und wohl auch beliebteste deutsche Urlaubsgebiet.

- Auch in Pommern regte sich hier und da Widerstand gegen den Nationalsozialismus. 1936 bildete sich ein Generalkonvent der Bekennenden Kirche, in der u.a. Friedrich Onnasch führend war, und 1937 wurde auf Betreiben von Reinhold von Thadden auf Trieglaff ein Kirchentag abgehalten. Dietrich Bonhoeffer leitete von 1935 bis zu seiner Schließung durch die Nationalsozialisten 1937 das Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde bei Stettin und führte dann bis 1940 diese Tätigkeit illegal weiter. 1945 richteten die Nationalsozialisten Ewald von Kleist auf Schmenzin als Angehörigen des Widerstandskreises um Carl Goerdeler hin. Ebenso Dietrich Bonhoeffer.

Die Rote Armee der Sowjetunion eroberte am 26. April 1945 Stettin und besetzte Vorpommern und Rügen (5. Mai 1945). Für das, was vom (Groß) Deutschen Reich geblieben war, folgte die bedingungslose Kapitulation vor den drei Hauptsiegermächten, und Deutschland wurde geteilt, zunächst in drei, dann in vier Besatzungszonen. Die Gebiete östlich von Oder und Neiße wurden unter polnische, das nördliche Ostpreußen unter sowjetische Verwaltung gestellt.

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