Christel Leinemann geb. Mielke Zwickau, den 19. Dez. 1994 Progreßweg 26 08066 Zwickau Tel. 0375-451550

Der letzte Abschied aus Großtuchen

Es war grausam für meine Pflegeeltern, die ihr Leben lassen mußten durch Erschlagen von den Polen. Ich konnte bei Heimanns bleiben. Im November 1945 wurden wir aus der Heimat ausgewiesen. Wir kamen bis Küstrin und waren in einer Schule untergebracht. Gleich am anderen Tag sollte ich für die Familie Mittagessen holen. Mit meiner Milchkanne stellte ich mich mit an. Plötzlich tauchten zwei von der Miliz auf. Sie angelten sich sechs junge Mädels aus der Reihe raus. Wir wurden ins Auto geladen. Den Ort der Verschleppung weiß ich nicht mehr. Es war ein kleines Dorf dicht vor Küstrin.

Trotz der Kälte im November mußten wir Kartoffeln hacken, die dann zu Schnaps verarbeitet wurden. Nach drei Wochen kam ein russischer Kommandant und befahl, uns sofort zu entlassen, denn wir waren total verdreckt und verlaust. Unser Ziel war dann Berlin.

Auf der Strecke nach Berlin stiegen betrunkene Tschechen ein, die auch bewaffnet waren. Sie befahlen uns, dort auszusteigen, wo sie stationiert waren. Wir mußten mit auf ihre Buden gehen, wo wir vergewaltigt und geschlagen wurden. Auf dem Rücken und an der Brust sieht man heute noch die Narben. Zwei Mädels sind dort gestorben. Wir vier wurden freigelassen. Schleppten uns mit großen Schwierigkeiten bis Berlin. Wir kamen zur Entlausung, anschließend ins Krankenhaus, wo ich gut versorgt wurde. Mit den drei Mädels verlor ich den Kontakt.

Ich kam ins Waisenhaus; von dort holte mich die Familie Schubring, die eine Landwirtschaft hatten. Dort lernte ich meinen Mann kennen. Die Gefahr war vorbei. Von da an ging es bei mir aufwärts.

Jetzt sind wir alt und gebrechlich, und unser schönes Pommerland, wo einst die Wiege stand, dort ist unser Heimatland.

gez. Christel Leinemann