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Kurze Geschichte Pommerns: Inhaltsverzeichnis
This site in English: The German Settlement of Pomerania
Pomeranian_Griffin: Die weltweite Pommern-Gruppe im Internet

3. Die deutsche Besiedlung Pommerns (1150-1350)

Das 12. Jahrhundert war für Pommern nicht nur das des Übergangs hin zu festen staatsähnlichen Verhältnissen und das Zeitalter der Christianisierung, sondern auch eines schlimmer Verwüstungen durch Kriegs- und Beutezüge. Ganze Landstriche an der unteren Rega, im Umfeld von Pyritz und im Lande Kolberg waren wüst und menschenleer. War der Missionierung von Deutschland aus noch nicht sofort eine deutsche Besiedlung des Landes gefolgt, so wurde diese durch die genannte Not geradezu zwingend. Das 13. Jahrhundert war das Zeitalter der deutschen Besiedlung Pommerns, an der freilich auch als Minderheiten Slawen, also die einheimische Bevölkerung, und Dänen beteiligt waren. Treibende Kräfte waren die Landesherren in Pommern und Rügen, sowie in weit geringerem Maße der Adel und die erwähnten Klöster, Stifte sowie geistlichen Ritterorden. Es galt, die wüst gewordenen Flächen zu besiedeln, nutzbar zu machen und damit auch Abgaben zugunsten der Betreiber der Kolonisation zu erhöhen.

Um 1200 endete die deutsche Besiedlung an der westlichen und an der südlichen Grenze ganz Pommerns. Aber es gab auch Ausnahmen, denn im Raum des Klosters Kolbatz sind schon im Jahre 1173 deutsche Bauern nachzuweisen, wenige Jahre später auch deutsche Händler und Kaufleute in Stettin. Die eigentliche Einwanderung von Deutschen begann erst im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts. Es sind dabei zwei Ströme zu erkennen. Der erste zog entlang der Küste gen Osten durch Mecklenburg und Vorpommern über die Inseln Usedom und Wollin weiter entlang der hinterpommerschen Küste. Dieser Route folgten Siedler aus dem niedersächsischen und westfälischen Raum und aus Holstein, die das lübische Recht, das niedersächsische Bauernhaus und Hagenhufendörfer mitbrachten, bei denen die Gehöfte an einem einzigen Weg lagen (Straßendorf), von denen dann im rechten Winkel zu dem Weg die Hufen abgingen. Ihre Namen enden häufig auf ,,-hagen". Die Menschen, die diesem Strom folgten, besiedelten zunächst hauptsächlich das Fürstentum Rügen, wofür der Vertrag von Tribsees vom 24. November 1221 zwischen dem Fürsten Wizlaw I. von Rügen und dem Bischof von Schwerin eine wichtige Quelle ist. Auf das Fürstentum Rügen folgten bei dieser Siedlungsbewegung das Teilherzogtum von Wartislaw III. und Hinterpommern. Der zweite Zug endete im Herrschaftsgebiet von Barnim I. und speiste sich aus dem Vorland des Harzes, dem Erzbistum Magdeburg, der Altmark und Brandenburg, baute eine Mischform aus dem mitteldeutsch-niedersächsischen-märkischen Bauernhaus und bevorzugte Angerdörfer, bei denen die Gehöfte um einen langgestreckten Dorfanger lagen. In diesem Gebiet galt fortan Magdeburger Recht. Die Einwanderung von Deutschen vollzog sich friedlich und umfaßte alle Schichten: Kaufleute und Handwerker für Städte, Bauern und Adel.

Schon in slawischer Zeit gab es Handelsplätze (,,vicus", ,,Wiek"), von denen stellvertretend das bedeutende Ralswiek auf der Insel Rügen genannt sei. Städte im deutschrechtlichen Sinn hatten einen eigenen Rechtsbezirk mit eigener Gerichtsbarkeit und eigener Verwaltung. Sie waren Verwaltungs- und Handels- bzw. Wirtschaftsmittelpunkte für das flache Land in der Umgebung. Die meisten von ihnen entstanden neben slawischen Siedlungen und folgten der West-Ost Handelsstraße von Lübeck nach Danzig oder aber den Zufahrten des Handels in die Neumark und nach Polen. - Zunächst kam es im Fürstentum Rügen zu einigen landesherrlichen Stadtgründungen im eben angedeuteten Sinne: Stralsund (1234), Tribsees (um 1245, spätestens 1267), Barth (1255), Damgarten (1258), Rügenwalde (1271) - die Fürsten von Rügen hatten mit einzelnen Plätzen zeitweise sehr weit nach Osten ausgegriffen - , Grimmen (etwa 1287), Richtenberg (zwischen 1297 und 1351) und Garz 1319 als Fortsetzung des 1313 gegründeten Ruyendal. - Im Herzogtum Pommern wurde der schon erwähnte Barnim I. (1218/19-1278) von Pommern-Stettin bzw. seit 1264 von ganz Pommern zu dem bedeutendsten Städtegründer. 1234 privilegierte Barnim I. Prenzlau, und zu derselben Zeit entstand im Gebiet der Templer die Stadt Bahn. Stettin erhielt damals deutsches Stadtrecht, d. h. hier Magdeburger Recht (1243). Es folgten in den 1240er Jahren Pyritz, Gartz an der Oder (um 1249), Altdamm (1249/1260), dann Pasewalk (um 1250), Anklam (vor 1264), Fiddichow, Greifenhagen (1254), Ückermünde, Pölitz (1260) Stargard (1263), Gollnow (1268), 1277 noch Treptow an der Rega. Wolgast gründete er zusammen mit seinem Vetter Wartislaw III. (vor 1259), auf den Treptow an der Tollense (Altentreptow, 1245 ?), Demmin (um 1249), Greifswald (1250), Wohin (vor 1264) und Greifenberg (1262) zurückgehen. Usedom, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem slawischen Handelsplatz, erhielt erst 1298 deutsches Recht. Von den im westlichen und mittleren Pommern im Mittelalter entstandenen 54 deutschrechtlichen Städten wurden 44 in den Jahren 1234 bis 1280 begründet; 21 gehen auf Barnim I. zurück. Wie schon angedeutet, wurden die Küstenstädte mit lübischem Recht, die im Binnenland mit Magdeburger Recht begabt, das zum Stettiner Stadtrecht weitergebildet wurde. Stettin wurde im Rechtszug Oberhof der Städte ,,seines" Rechts. - Auch im 13. Jahrhundert entstanden zahlreiche neue Stifte und Klöster. Neuenkamp wurde 1231 gestiftet. Barnim I. selbst gründete die Zisterzienserinnenklöster Stettin (vor 1243) und Marienfließ (1248), das Chorherrenstift Ückermünde (1260, seit 1331 in Jasenitz), das Marienstift zu Stettin (1261), das Augustiner-Eremitenkloster zu Stargard (um 1270). Im Gegensatz zu den Klostergründungen des 12. Jahrhunderts spielten diese Einrichtungen bei der Neubesiedlung Pommerns eine sehr aktive und wichtige Rolle.

Hand in Hand mit dieser Entwicklung ging die Kolonisation des Landes. Einzelne Siedlungs-,,Unternehmer", Lokatoren, leiteten vor Ort die Niederlassung von Bauern. Die entstehenden Dörfer wurden bisweilen nach ihnen benannt, und sie hatten dort meist das Schulzenamt mit der niederen Gerichtsbarkeit inne. Die Wirtschaftsform der deutschen Bauern, die alle persönlich frei waren und nur geringe Abgaben zu entrichten hatten, unterschied sich grundlegend von der ihrer slawischen Nachbarn und war ungleich ertragreicher, damit auch für den Landesherren sehr viel interessanter, weil die Abgaben stiegen. Die Dörfer hatten eine fest umgrenzte, häufig zuvor vermessene Flur, die in Hufen eingeteilt war. Eine solche Hufe hatte eine Durchschnittsgröße von etwa 17 bis 24 Hektar oder 68 bis 96 (preußische) Morgen. In der Regel bewirtschaftete ein Bauernhof zwei Hufen. Dies geschah in der Form der Dreifelderwirtschaft, die in Pommern bis 1812 praktiziert wurde, zunächst aber dort für die slawischen Bewohner ebenso neu war wie der Flurzwang. Bei dieser Wirtschaftsform wurde die Dorfflur in drei gleich große Gewanne für Sommerfrucht, Winterfrucht und Brache eingeteilt. In jeder dieser Gewanne besaß ein jeder Bauer ein Drittel seines Ackerbodens. Die Neusiedler benutzten zur Bodenbearbeitung den Scharpflug, der dem slawischen Haken technisch überlegen war. Dörfer entstanden entweder neu auf Rodungsgebiet oder neben slawischen Siedlungen, die sich in ihrem Namen durch den Zusatz ,,Klein-" oder ,,Wendisch-" von dem neuen deutschen Dorfe unterschieden. - Die deutschen Siedlungen entlang der Küste und im Fürstentum Rügen waren Hagenhufendörfer, die im Binnenland, und das war die Mehrheit, hingegen Angerdörfer.

Mit den Bauern, Handwerkern und Kaufleuten kamen in leitender Funktion auch deutsche Adelige nach Pommern, meist aus dem ursprünglich unfreien Ministerialenstand. In den späteren Jahren der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts treten in der Umgebung der Herzöge von Pommern häufiger als früher deutsche Adelige und Ritter auf. Auf dem Land, das sie als Lehn erhielten, siedelten sie als Grundherren Bauern an. In derselben Eigenschaft besaßen die Adeligen Herrschaftsrechte über Dörfer, Dorfteile und Höfe, deren Bewohner ihren Herren gegenüber zu geringen Abgaben und Diensten verpflichtet waren. In den ersten Jahren der Siedlung entfielen die Abgaben bisweilen sogar ganz. Der heimische slawische Adel wich vielfach in die Gebiete östlich der Oder und noch weiter nach Osten aus, wo die deutsche Siedlungstätigkeit nachließ bzw. nur nachrangig betrieben wurde. Die deutschen Adeligen wurden vom Landesherrn mit Land und Burgen belehnt, von wo aus sie die Vogtei rechte ausübten, d. h. die niedere Gerichtsbarkeit und die Erhebung der Abgaben für den Landesherrn. Es wirkten die Familien von Behr, Salzwedel, Schwerin, Rohr, Ramm, Putbus, Lancken und Platen westlich der Oder und auf Rügen, die von Below, Borcke, Eberstein, Natzmer, Dewitz, Kameke, Puttkamer bzw. deren Vorfahren, Massow, Mitzlaff und Zitzewitz östlich der Oder und im Süden die von Osten, Flemming, Wedel, Kleist, Manteuffel, Podewils, Lettow und Bonin, um nur wenige Namen zu nennen, die aus der Geschichte von Pommern nicht wegzudenken sind. Einige dieser Familien sind slawischen Ursprungs, und im östlichen Pommern, wohin der slawische Adel ausgewichen war, vermischte er sich mit deutschen Neuankömmlingen. Pommern wurde schließlich, insbesondere in seinen östlichen Teilen, ein zutiefst vom Adel geprägtes deutsches Territorium. Trotzdem war Pommern seit dieser Zeit bis zum Ende des Mittelalters bzw. dem Beginn der Reformationszeit auch ein Bauernland, in dem kleinere und mittlere Höfe typisch waren. Auch die adeligen Güter waren nur wenig größer als die bedeutenderen Bauernstellen. Das sollte sich mit Beginn der Neuzeit allmählich grundlegend ändern.

In der ersten Zeit der deutschen Besiedlung wohnten Deutsche und Slawen zwar in Nachbarschaft, die häufig sehr eng war, aber doch getrennt. Allmählich aber vermischten sich beide Bevölkerungsgruppen, auch der Adel. Es entstand der deutsch bestimmte Neustamm der Pommern. Dieser Prozeß kam etwa Mitte des 14. Jahrhunderts, als auch die deutsche Siedlungsbewegung in Pommern endete, zu einem gewissen Stillstand, kann aber erst etwa zwei Jahrhunderte später als abgeschlossen angesehen werden.

Nächstes Kapitel: 4. Von der Mitte des 13. Jh. bis zum Tode Bogislaws X. (1250-1523)