LinksGeschichte Pommerns: InhaltsverzeichnisThis Site in English: Pomerania under Prussian and Swedish rule Pomeranian_Griffin: Weltweiter Pommern-Gruppe für Geschichte, Kultur und Genealogie
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6. Pommern unter preußischer und schwedischer Herrschaft (1648-1815) Brandenburg mußte sich um sein rechtmäßiges Erbe, das ihm nach dem Vertrag von Grimnitz (1529) zustand, betrogen fühlen und auf Abhilfe sinnen, zumal Schweden Hinterpommern noch lange Zeit besetzt hielt und erst 1653 im Grenzrezeß von Stettin die Grenze mit Brandenburg endgültig festgelegt wurde. Dabei erhielt zu allem Übel Schweden auch noch die Hälfte aus den hinterpommerschen Seezöllen zugesprochen. Zuvor war 1650 der letzte Titularbischof von Kammin, Herzog Ernst Bogislaw von Croy (1620-1664), ein Neffe von Bogislaw XIV. und Sohn seiner Schwester Anna, mit 100 000 Talern abgefunden worden, damit er auf seine Rechte im Bistum verzichtete. Er wurde später vom Großen Kurfürsten als erster Statthalter in Hinterpommern eingesetzt (1665-1670), danach war er bis zu seinem Tod Statthalter in (Ost-) Preußen, in dessen Hauptstadt Königsberg er starb. - Das Territorium des Bistums wurde ohne weiteres eingegliedert, aber 1669 als reichsunmittelbar bestätigt, und der Kurfürst von Brandenburg erhielt für das ,,Fürstentum Kammin" Sitz und Stimme im Reichstag. Hinterpommern wurde ein Teil Brandenburgs, wo es seit 1644 ein stehendes Heer gab, für dessen Grundlagen die landesherrlichen Kommissare zuständig waren, die ersten Beamten, mit denen auch Pommern vertraut gemacht wurde. 1653 wurden in Kolberg die neue Regierung mit Präsident und Kanzler, ein Hofgericht und ein Konsistorium mit einem Generalsuperintendenten eingerichtet. In den 1660er Jahren wurden eine Jagd- und Holzordnung erlassen und eine Münze in Stargard gegründet. Die lokale Verwaltung lag bei den landesherrlichen Domänenämtern, (Familien-) Kreisen schloßgesessener Familien, Gütern des Stifts Kammin, ritterschaftlichen Kreisen und den ,,kreisfreien" Immediatstädten. Über den Behörden und Einrichtungen schwebte der ehrenamtlich tätige Statthalter des Kurfürsten bzw. Königs, vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis 1916 meist ein Mitglied des Königshauses der Hohenzollern. 1654 wurden die Privilegien der Stände bestätigt, die nach langen Auseinandersetzungen mit dem neuen Landesherrn, die sich bis 1665 hinzogen, auch die Einrichtung von Garnisonen hinnehmen mußten. Überhaupt wurden die Stände in Hinterpommern in das brandenburgische Herrschaftssystem integriert, das durch die Kommissariatsverwaltung im Lande gegenwärtig war. Der Adel hatte auf seinen Besitzungen und in seinen Kreisen zwar eine starke Stellung inne und trieb das Bauernlegen weiter, war aber als politische Kraft entmachtet worden; seine Vertreter traten in brandenburgische Dienste. - Regierung, Hofgericht und Konsistorium wurden vorübergehend 1668 und endgültig 1686 nach Stargard verlegt, das somit zur Hauptstadt Hinterpommerns wurde. Während also der an Brandenburg gefallene Teil Pommerns in den dortigen Staatsverband integriert wurde, ging Schwedisch-Pommern unter der Krone Schwedens einen eigenen Weg und hatte als ,,Reichsterritorium und schwedische Provinz" (H. Backhaus) eine Doppelstellung inne. Der Weg, der zu geordneten Verwaltungs- und Regierungseinrichtungen in Vorpommern führte, war lang, denn die Verhandlungen der Vertreter der vorpommerschen Stände in Stockholm zogen sich bis 1663 hin. Die damals erlassene Regierungsform beruhte auf der Regimentsverfassung von 1634 und sollte bis 1806 Bestand haben. Die Krone wurde in Vorpommern von einem Generalgouverneur vertreten. Unter ihm gab es ein ,,Oberdirektorium" (Hofgerichtspräsident, Kanzler, Schloßhauptmann, 2 Regierungsräte - alles Pommern), gleichsam neben ihm aber einen Landtag mit drei Kurien. Der Dualismus Krone-Stände wurde hier fortgeschrieben, und die Stände behielten in diesem Teil Pommerns ihren politischen Einfluß und eine gewisse Selbständigkeit, während sie in Preußen der dort entwickelten allgemeinen Staatsidee unterworfen wurden. Ein höchstes Gericht für alle schwedischen Besitzungen in Deutschland war schon 1653 in Wismar eingerichtet worden, und das Stettiner Hofgericht wurde nach Greifswald verlegt, wo seit 1657 auch der Sitz des für Schwedisch-Pommern zuständigen Konsistoriums war; Stralsund behielt ein eigenes Konsistorium. Das Land wurde in Distrikte eingeteilt, die in ein königliches Amt und einen adeligen Distrikt im engeren Sinne gegliedert, also stark ritterschaftlich bestimmt waren. Sozial herrschte der Großgrundbesitz vor, der sich durch das weiter betriebene Bauernlegen noch vergrößerte (Gesindeordnung von 1682). Vorpommern war das Standbein der Großmacht Schweden in Mitteleuropa und deshalb von einem engmaschigen Netz von Festungsanlagen (2 Hauptfestungen, 6 kleine Festungen, 16 Schanzen) überzogen, zu denen Garnisonen mit insgesamt 2000 bis 3000 Mann gehörten; 60 % des Provinzetats wurden davon verschlungen. Rückgrat der schwedischen Herrschaft war die Finanzverwaltung mit einer pommerschen Kammer, die dem schwedischen Kammerkollegium direkt unterstellt war, wo auch das jährliche Provinzialbudget ausgearbeitet wurde, das für die Regierung bindend war. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst (regierte 1640-1688), wollte seinen Staat zu einer Handels- und Seemacht machen und deshalb Schweden aus Pommern verdrängen. Im Ersten Nordischen Krieg (1655-1660), in dem Schweden sich zuletzt dem Kaiser, Polen, Dänemark und Brandenburg gegenüber sah, gelang ihm das auch teilweise. Im Frieden von Oliva (1660) aber mußte er diese Eroberungen zurückgeben und erhielt lediglich endgültig die ihm schon 1657 von Polen überlassenen Länder Lauenburg, Bütow und Draheim; freilich wurde ihm auch die volle Souveränität im Herzogtum Preußen (Ostpreußen) bestätigt. - Im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg (1672-1678/79) besiegte der Große Kurfürst in offener Feldschlacht die Schweden bei Fehrbellin (Juni 1675), eroberte Stettin (1677), Rügen, Greifswald und Stralsund (1678), und im Winterfeldzug 1678/79 vertrieb er sie von nahezu der gesamten Ostseeküste. Aber wie schon 1660 unterlag der geniale Feldherr und gute Politiker der französischen Diplomatie und mußte im Frieden von St. Germain-en-Laye bei Paris (29. Juni 1679) die Eroberungen an Schweden zurückgeben. Es wurde lediglich die Grenze Hinterpommerns gen Westen etwas zugunsten des Brandenburgers verschoben, der einen Gebietsstreifen mit den Städten Bahn, Greifenhagen und Kammin sowie den bisher schwedischen Anteil an den Zöllen erhielt, die in hinterpommerschen Häfen erhoben wurden. - 1682 wurde in Hinterpommern die brandenburgische Akzise (Verbrauchs- und Umsatzsteuer) eingeführt. Der Nordische Krieg, den Schweden unter Karl XII. (regierte 1697-1718) seit 1700 gegen Rußland, Sachsen-Polen und Dänemark führte und verlor, bestimmte auch das Schicksal beider Teile Pommerns. Vorpommern wurde 1711 fast zur Gänze von den Gegnern besetzt, und das Land hatte wieder schwer zu leiden. Gartz an der Oder und Wolgast wurden 1713 geplündert und eingeäschert, in demselben Jahr fiel am 19. September das belagerte Stettin. Schon am 3. Oktober vereinbarten Russen und Preußen bei Schwedt einen massiven Landgewinn für Preußen, vor dessen Truppen 1715 Stralsund kapitulierte. Im Frieden von Stockholm (21. Januar 1720) erhielt Preußen Stettin, Usedom, Wohin und das Land bis zur Peene (Alt-Vorpommern) gegen eine Zahlung von 2 Millionen Talern an Schweden, das das Gebiet nördlich der Peene und Rügen behielt, das spätere Neuvorpommern. - Preußen, wo inzwischen der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. regierte (1713-1740), verlegte die ,,Pommersche und Kamminsche Regierung" 1723 nach Stettin. Sie wurde zu einer Art oberstes Landgericht, dem die Hofgerichte in Stargard (1739 nach Stettin verlegt) und Köslin (gegründet 1720) nachgeordnet waren, da die eigentliche Verwaltung der 1723 in Stettin gegründeten Kriegs- und Domänenkammer übertragen wurde. Ihr wurde auch das 1725 gegründete Medizinal- und Sanitätskollegium zugeordnet; 1763 wurde gleichsam als Außenstelle eine Kammerdeputation in Köslin eingerichtet. 1746 wurden in Stettin die Regierung und das Hofgericht zu einem Gericht zusammengelegt und das Hofgericht in Köslin ausgebaut. Preußisch-Pommern wurde 1724 in vier steuerrätliche Städtekreise (Stettin, Pyritz, Kolberg, Stolp) und 17 landrätliche Kreise eingeteilt, neben denen es noch drei Prälatenkreise gab. An der Spitze eines jeden Kreises stand ein Landrat, der landesherrlicher Beamter, aber auch Vertreter der Kreisstände war. Ihm entsprach in den Städten der Steuerrat, der aber nur dem Landesherrn verpflichtet war. Unterhalb dieser Mittelebenen bildeten die Stadträte, Rittergutsbesitzer und Domänen-Amtmänner die untere Verwaltungsschicht. Auch jetzt kam das Bauernlegen noch nicht zu einem Stillstand, wohingegen schon 1719 die Erbuntertänigkeit der Domänenbauern im Prinzip aufgehoben worden war. l8l0 erst wurde in Preußisch-Pommern die Guts- und Erbuntertänigkeit aufgehoben, und l8ll wurde die Ablösung der Erb- und Zeitpachten sowie der Dienste verordnet. - Stettin wurde von 1724 bis 1740 zur stärksten Festung Preußens ausgebaut und ganz Preußisch-Pommern dem Kantonsreglement von 1733 unterworfen. - 1747 wurde in Köslin für das östliche Hinterpommern ein eigenes Konsistorium eingerichtet, aber die theologischen Prüfungen blieben dem in Stettin vorbehalten. In ganz Pommern herrschte konfessionell das orthodoxe Luthertum vor. Aber seit dem Ende des 17. Jahrhunderts gab es in beiden Teilen Vertreter des Pietismus, der vom schwedischen Landesherrn verfolgt, vom brandenburg-preußischen aber sogar gefördert wurde (Stargarder Bibel von 1707). Ende des 17. und Anfang des l8. Jahrhunderts wurden mit aus Frankreich vertriebenen Refugiés französische Kolonien reformierten Bekenntnisses in Stargard, Kolberg, Stolp, Stettin und Pasewalk gegründet. Vereinzelte bodenständige reformierte Gemeinden hatte es schon vorher gegeben. Preußisch-Pommern wuchs sehr rasch in den brandenburgisch-preußischen Staatsverband hinein, und die Könige Friedrich Wilhelm 1. und Friedrich der Große lobten in ihren Politischen Testamenten die Pommern als treue, geradlinige und wertvolle Vasallen und Untertanen. - 1727 bereits wurden in Pommern, in Torgelow, erstmals Kartoffeln angebaut. War Pommern von den ersten beiden Schlesischen Krieges verschont geblieben, so hatte es unter dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) um so mehr zu leiden. Kolberg z. B. mußte im Dezember 1761 vor den Russen kapitulieren und der Zarin huldigen. 1763 war die Bevölkerung von Hinter- und Alt-Vorpommern um 72 000 Menschen auf 298 000 gesunken. Hier setzte das Wiederaufbau- und Kolonisationswerk an, mit dessen Leitung der König, es war Friedrich der Große (1740-1786), Franz Balthasar Schönberg v. Brenckenhoff betraute, der an frühere Kolonisationsarbeiten aus den Jahren 1747 bis 1753 anknüpfte. Oder-, Netze- und Warthebruch sowie das Thurbruch auf Usedom wurden entwässert, Vilm- und Lebasee, Leba und Ihna abgesenkt bzw. reguliert und in neuen Dörfern neue Kolonisten aus ganz Deutschland angesiedelt; 1765 erhielt das 1744 neu begründete Swinemünde Stadtrecht. Es wurden über 2000 Dörfer und Siedlungen mit mehr als 26 000 Menschen neu gegründet. In Schwedisch-Pommern wurden nach 1720 die alten Verhältnisse wiederhergestellt. Der Adel konnte seine Macht stärken, da viele Domänen an ihn verpfändet worden waren. Die Regierung saß in Stralsund. Das Gebiet war in die Distrikte Franzburg-Barth, Tribsees, Grimmen, Loitz, Greifswald, Wolgast und Rügen aufgeteilt. Daneben standen die neun landtagsfähigen Städte und die fünf Kleinstädte. Wie im bisherigen Schwedisch-Pommern ging auch in dem Restgebiet das Bauernlegen weiter. Einer relativ kleinen Zahl von Besitzern sehr großer Rittergüter stand die Masse armer Bauern und Leibeigener gegenüber. Die Schrift des in Groß Schoritz auf Rügen geborenen und zeitweise in Greifswald lehrenden Historikers Ernst Moritz Arndt (1769-1860) ,,Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen" von 1803 trug wesentlich dazu bei, daß 1806 bzw. l8l0 die Leibeigenschaft in Schwedisch-Pommern abgeschafft wurde. Nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt kapitulierte im Herbst 1806 das bestens gerüstete Stettin kampflos vor einer französischen Vorhut; nur Kolberg leistete tapfer Widerstand (Ferdinand v. Schill, Joachim Nettelbeck, August Neidhardt v. Gneisenau). Dem für Preußen zunächst sehr demütigenden und verlustreichen Frieden von Tilsit (7. - 9. Juli 1807) - Stettin blieb besetzt - folgten die großen preußischen Reformen unter dem Reichsfreiherrn Karl von und zum Stein. Das Edikt vom 9. Oktober 1807 hob in Preußen die Erbuntertänigkeit der Bauern gegenüber dem Adel auf und befreite auch in Pommern Tausende von Menschen, ebenso die Städteordnung vom 19. November l808. - Im Laufe der Befreiungskriege räumten die Franzosen im März 1813 Schwedisch-Pommern, Stettin wurde am 5. Dezember 1813 an Preußen übergeben. 1814 trat Schweden im Frieden zu Kiel seinen Teil Pommerns an Dänemark ab, das seinerseits die Krone Norwegens an Schweden abgeben mußte. Die Ausführung der Bestimmung wurde durch den Widerstand der Norweger und von Fürst Malte zu Putbus verhindert, der damals Generalgouverneur in Schwedisch-Pommern war. Nach den Befreiungskriegen wurde Europa auf dem Wiener Kongreß neu geordnet. Damals fiel Schwedisch-Pommern als Neuvorpommern an Preußen, das die Ansprüche Dänemarks durch Abtretung des Herzogtums Lauenburg, das es vom Königreich Hannover erhalten hatte, und Zahlung von 2 600 000 Talern abgalt. Schweden erhielt für die Abtretung seines festländischen Gebietes von Preußen 3500000 Taler. Am 23. Oktober 1815 wurde Schwedisch-Pommern dem Königreich Preußen übergeben. Pommern war nach fast zwei Jahrhunderten wieder vereinigt, und der Erbvertrag von Grimnitz aus dem Jahre 1529 war erfüllt.
Nächstes Kapitel: 7.
Pommern als preussische Provinz (1815-1945)
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