Anna Krause geb. Busch Dessauer Landstraße 9a 06385 Aken Tel. 034909-82196
Bericht über die Aussiedlung von Großtuchen nach Aken/Elbe
Nach dem Zusammenbruch im Mai 1945 kamen viele polnische Bürger und besetzten deutsche Grundstücke unserer Heimat. Großtuchen, Kreis Bütow in Pommern, war unser Wohnort. Wir Deutsche mußten unsere Heimat verlassen.
Es wurden Transporte zusammengestellt. Mitte Dezember 1946 waren meine Eltern, meine Schwester mit ihrem Sohn, der 10 Jahre alt war, meine beiden Kinder im Alter von zwei und dreieinhalb Jahren auch bei einem solchen Transport dabei.
Von einem polnischen Bürger wurden wir für ein kleines Entgelt in die 14 Kilometer ent-fernte Kreisstadt Bütow gefahren. In einem Fabrikgebäude war die Sammelstelle eingerichtet. Hier verbrachten wir den ganzen Tag. Gegen Abend wurden wir von polnischen Beamten kontrolliert. Sparbücher, Wäsche und dergleichen sind abgenommen worden.
Danach durften wir mit unserem Handgepäck zum Bahnhof in Bütow gehen. Es war am gleichen Tag um Mitternacht. Auf dem Bahnhof stand ein Güterzug für uns bereit. Wir be-stiegen den 36. Waggon, von der Spitze des Zuges gezählt. Der Waggon war mit einem kleinen eisernen Ofen versehen, der beim Heizen mehr Rauch als Wärme abgab. Am nächsten Tag nachmittags wurden wir mit dem Zug in Richtung We-sten befördert. Oftmals ist unser Zug auf einem Nebengleis mehrere Stunden festgehalten worden.
Über Forst ging die Fahrt in die Lausitz. Hier fand eine Entlausung statt. Aus der Nieder-lausitz ging der Transport dann weiter nach Coswig/Anhalt. In Coswig/Anhalt mußten wir drei Wochen in einem Quarantänelager bleiben. Am 23. 12. 1946 hatte man in dem Lager in Coswig für unsere Kinder eine bescheidene Weihnachtsfeier veranstaltet. Nach dem Aufent-halt in Coswig brachte man uns mit einem Personenzug nach drei Wochen in ein Lager in Staßfurt. In dem Lager waren wir in Baracken untergebracht. Der Aufenthalt währte bis zum 17. 2. 1947. Der Winter war sehr schneereich und auch sehr kalt. Die Fenster tauten den gan-zen Tag nicht ab. Wir waren untergebracht in einem Raum von 14 qm mit 15 Personen. Am 17. 2. 1947 transportierte man uns auf einem offenen LKW von Staßfurt nach Aken/Elbe. In Aken waren wir weitere drei Wochen in Gemeinschaftsquartiere untergebracht. Am 5. 3. 1947 teilte man uns eine kleine Zweiraumwohnung für sieben Personen zu.
Wir waren sehr zufrieden, nach fast einem Vierteljahr Lagerleben innerhalb der Großfami-lie eine eigene Behausung zu haben. Der Kampf um das tägliche Leben ging weiter. Für die Feuerung ist das Holz aus dem Wald herangetragen worden. Da die Lebensmittelkarten nicht ausreichten, gingen wir auf die Felder, Kartoffeln stoppeln, Ähren lesen und auf die Wiesen, eßbare Kräuter sammeln.
Den finanziellen Unterhalt versuchten meine Schwester und ich, mit Arbeiten bei einem Bauern in einem vier Kilometer entfernten Dorf zu bestreiten. Der Weg zur Arbeit mußte im-mer zu Fuß zurückgelegt werden.
Später wurden andere Arbeitsstellen aufgesucht, und es ergaben sich dann auch etwas bes-sere Wohnverhältnisse in den fünfziger und sechziger Jahren.
Aken wurde für uns sieben Personen zum neuen Ausgangspunkt für unsere weitere Ent-wicklung.
gez. Anna Krause