Adolf Mickley Februar 1995 Nauendorfer Straße 23 16761 Hennigsdorf
Vor 50 Jahren - Ein Rückblick der Familie Mickley
Vater Bruno war seit 1941 Soldat auf einem Flugplatz in der Nähe von Berlin. 1945 Gefangenschaft in Schleswig-Holstein. Nach der Entlassung Rückkehr in Richtung Berlin. Als Müller in einer Mühle in Schönwalde, Kreis Nauen tätig. Seine Post erreichte uns im Sommer 1946 in Groß Tuchen. Anfang März 1945, die Front war schon in Reinwasser, begann die Flucht aus Groß Tuchen. Danzig war das Ziel. Sie erfolgte mit einem Traktor und einem Wohn- und einem Gepäckanhänger unter der Regie der Familie Kemski. Weitere Mitfahrende waren: Frau Hoffmann mit Tochter, Frau Kunkel und deren Tochter sowie Familie Mickley - Mutter Maria, die Söhne Adolf und Paul sowie Oma Pauline.
Nach Aufenthalt wegen Fliegeralarm im Krankenhauskeller der Stadt Lauenburg endete die Flucht in den nahegelegenen Dörfern Saulin und Saulinke. Am 12. 3. 1945 marschierte der Russe in die Dörfer ein. Einige Wochen danach kam der Auftrag, daß alle deutschen Bürger sofort die Dörfer zu verlassen haben in Richtung Flüchtlingslager Stolp. Dies wurde dank deutscher Soldaten, welche sich in einem angrenzenden Wald verschanzt hatten, nicht befolgt. So flohen wir in den Wald zu den Soldaten. Nach mehreren Tagen im Wald herrschte wieder Ruhe.
Wir kehrten in das Dorf zurück. Diese Ruhe war aber trügerisch. Anschließen begannen Hausdurchsuchungen mit Plünderungen durch die Russen. Frauen und Töchter mußten sich stets in Verstecken aufhalten, um nicht vergewaltigt zu werden. Die Wachen übernahmen teilweise die Söhne.
Die deutschen Männer der Dörfer waren abtransportiert worden. Circa im Spätsommer 1945 erfolgte der abenteuerliche Rückmarsch, überwiegend während der Dunkelheit, nach Groß Tuchen. Inzwischen waren dort überwiegend die Polen Besitzer der Grundstücke. So hatte die Gaststätte Deuble eine polnische Familie Palouch in Besitz. Diese war vorher beim Bauern Heimann tätig gewesen. Hier fanden wir Unterkunft in dem Anbau über der Fleischerei Schlaak. Mutter und Söhne arbeiteten im Haushalt der Gaststätte bzw. in der Landwirtschaft.
Die "Aussiedlung" erfolgte im Dezember 1946; vorher gab es mehrere blinde Alarme zu diesem Zweck. Die Abfahrt erfolgte von Bütow per Güterzug. 30 Personen in einem Güterwagen; pro Person 1 Salzhering und für 4 Personen 1 Brot als Verpflegung. In der Mitte des Wagens war ein gußeisener Ofen; dort hielten sich die Mütter mit ihren Säuglingen auf. Die Fahrt erfolgte über Schlesien mit vielen Unterwegsaufenthalten nach Coswig / Sachsen-Anhalt. Von dort holte uns Vater ab zu seiner Arbeitsstätte. Seine Tätigkeit als Müller verschaffte der Familie in dieser Zeit das Überleben. Die Söhne gingen wieder zur Schule, erlernten danach Berufe, Autoschlosser bzw. Maschinenschlosser und Lokführer. Mutter starb 1983, Vater 1986. Die Heimat wurde 1973 besucht.
gez. Adolf Mickley