Heinz Radde                                                                                                                                                                                                                                                               Zürich, 10. Mai 2009
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Nomen est Omen
Namensänderungen pommerscher Orte als politische Waffe

" Sprache ist mehr als Blut"
" Jezyk to wiecej niz krew"
Franz Rosenzweig (1886-1929)
deutsch-jüdischer Philosoph




Änderungen von Ortsnamen in den polnisch-deutschen Grenzgebieten hat es immer gegeben. Sie eskalierten aber, als nach dem 1. Weltkrieg sowohl polnische als auch deutsche Nationalisten gegenseitig extreme Gebietsforderungen stellten. Während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland geriet dann der Prozess der Änderungen slawisch klingender Ortsnamen zum Exzess.


Ortsnamen müssen in der eigenen Sprache vertraut klingen. Nicht zufällig heissen ja dieselben Orte meist unterschiedlich in den verschiedenen Sprachen. Kein Pole würde von einem Deutschen verlangen, statt Warschau Warszawa zu sagen oder gar zu schreiben.
  Bei Stettin ist das aber schon etwas ganz anderes. Dabei kann kaum ein Deutscher Szczecin auf Anhieb richtig schreiben.
Stettin und Szczecin sind seit jeher die Namen desselben Ortes in zwei unterschiedlichen Sprachen. Ab 1945 aber wurde jede Sprachversion mit einer politischen und historischen Sichtweise sowie einem scheinbaren rückwärtigen Besitzrecht verknüpft. Somit bekam die Zweisprachigkeit des Namens den Charakter einer Namensänderung.
Von Namensänderungen innerhalb einer Sprache als aggressiven Ausdruck gegen eine andere Kultur ist hier die Rede, nicht von Ortsnamen-Versionen in verschiedenen Sprachen.

Onomastische Symbolik

Bei drastischer Änderung der Machtverhältnisse wurden Ortsnamen schon seit jeher radikal geändert, um zu symbolisieren, welche Kultur jetzt mit dem Ort verbunden ist, ihn also besitzt. Man denke z.B. an Konstantinopel und Istanbul (1566), Neu Amsterdam und New York (1690), Chemnitz und Karl-Marx-Stadt (1956), St. Petersburg und Leningrad (1917 bzw. 1924), Lodz und Litzmannstadt (1940).
Ebenso kann mit sprachlichen Mitteln auch
Distanz sichtbar gemacht werden. Als es nach dem 2. Weltkrieg nicht opportun war, mit dem besiegten Nazi-Deutschland verwechselt zu werden, führte man in der Schweiz eine leicht geänderte Orthographie der deutschen Sprache ein: Die grossen Umlaute Ä, Ö, Ü und das ß wurden einfach von der Schreibmaschinentastatur entfernt. So kann jeder, auch der kein Deutsch kann, sofort  die „unschuldige“ Herkunft eines deutschsprachigen Textes erkennen.

Pommern, insbesondere die östlichen Teile um Bütow, Lauenburg und Stolp, trugen bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, und teilweise sogar heute noch, sichtbare Spuren sowohl der deutschen als auch der slawisch-kaschubischen Kulturen.
Die Flurnamen sind grösstenteils slawischen Ursprungs. Die ins Land gerufenen deutschen Siedler behielten zum grössten Teil diese Namen bei. Sie gebrauchten sie auch dort noch weiter, wo das Slawentum von ihnen verdrängt oder aufgesogen worden war.
Eine respektvolle Verbundenheit mit dieser Tradition zeigte 1908 der preussische Landwirtschaftsminister, als er allen Behörden zur Pflicht machte, „die alten Flurnamen in den Dorf- und Stadtgemarkungen tunlichst beizubehalten“. Auch der „Pommersche Bund für Heimatschutz“ nahm sich in diesem Sinne dem Schutz der Flurnamen als Naturdenkmäler an.
  „In ihrer grossen Mehrheit sind Flurnamen älter als jede geschriebene Urkunde, versetzen uns oft weit über ein Jahrtausend zurück und geben Kunde über Zustände und Zeiten, aus denen jede andere Stimme und Nachricht verklungen ist. Sie lassen mannigfache Schlüsse zu über Natur- und Kulturverhältnisse, unter denen sich in dunkler Vorzeit das Leben gestaltete.“  [1]

Mit dem Anfang des 18. Jahrhunderts aufkommenden Absolutismus schrieben die königlichen Verwaltungsämter die Ortsnamen immer stärker fest.
  Dabei wurde mancher fremde Name der deutschen Sprache angepasst. Seit dem 18. Jahrhundert verbot der preussische Staat aber das eigenmächtige Ändern von Ortsnamen durch die Besitzer von Gütern oder Hufen. Ein neuer Abbau oder ein neues Vorwerk durfte nur einen Namen bekommen, der auch den Namen des Ortes beinhaltete, zu dem der neue Abbau gehörte. So entstanden viele Ortsnamen mit Vorsilben wie Klein, Gross und Adlig. 

Bis zum Endes des 1. Weltkrieges spielten in Preussen bei Ortsnamensgebungen ethnische Interessen kaum eine Rolle. Die Sprachlichkeit der Ortsnamen lässt seit dem 18. Jahrhundert keinen Rückschluss auf ethnische Mehrheiten zu. [2]

Der wichtige deutsche Pommern-Historiker Wehrmann schreibt [12, Seite109] im Zusammenhang mit der Verdeutschung: " ...Nach deutschem Lehnrecht, das so seinen Einzug in das Wendenland hielt, erwarben sie [d.h. die deutschen Edelleute] Grund und Boden und nahmen oft erst danach ihren Namen an. Daher ist es nicht immer leicht zu entscheiden, ob eine Familie deutschen oder slawischen Ursprungs ist....."
Oder Seiten 116 ff.:
" ...Die slawischen Bewohner ... haben sich noch lange gehalten..Ähnlich haben auf dem Lande neben den neuen deutschen Dörfern wendische Niederlassungen bestanden, worauf zum Teil der Zusatz von Alt- und Neu-, Groß- und Klein-, Wendisch- und Deutsch- zu einzelnen Dorfnamen noch heute hinweist. ... Im Osten aber, jenseits der Persante, erhielten sich im Anschluss an das benachbarte Polen slawische Sprache, Sitte und Brauch...noch Jahrhunderte hindurch. Das Slawentum wurde dort vielleicht nie vollständig gebrochen...."


Propaganda und Heimatangst

In einem Aufsatz des „Bütower Schlosskalender“ von 1927 trat P. Fischbach immer noch für den 1908 befohlenen Schutz der slawischen Flurnamen ein [1]. Das war angesichts der politischen Lage nach dem Ende des 1. Weltkrieges keineswegs selbstverständlich.
Im geschlagenen Deutschland wirkten rechtsnationale Kreise, so der „Ostmarken-Verein“, der für die Rückgewinnung der im Osten abgetretenen Gebiete und sogar deren Ausdehnung eintrat.

Im Ergebnis der Versailler Abkommen waren Nationalstaaten entstanden, in denen z.T. masslose Gebietsforderungen aufkamen. So im wiedererstandenen Polen.
Polen hatte bereits im Versailler Abkommen Teile Pommerns, Schlesiens und ganz Ostpreussen beansprucht.
Der polnische rechtsnationale „Westmarken-Verband“ suggerierte dann in den Zwanziger- und Dreissigerjahren Gebietsansprüche bis zu Hamburg.
[Bild 1]

Konkret kamen dazu Versuche zur Abtrennung von Teilen Ostpreussens, polnische Aufstände in Schlesien und die Annexion des deutschen Memelgebietes durch Litauen. Die Abtrennungen von Westpreussen und Teilen Oberschlesiens ganz ohne oder in zweifelhafter Volksabstimmung waren sowieso noch nicht vergessen.
Polen wird
  noch vor Hitlers Amtsantritt von allen deutschen demokratischen Parteien und von der Reichswehr als Bedrohung angesehen.

 





So entstand besonders in der Bevölkerung der deutschen Ostprovinzen eine Atmosphäre der Angst um die Heimat. Das war ein idealer Nährboden für die Propaganda der Nazis, die in den Reichstagswahlen in Pommern zunehmend Ergebnisse deutlich über dem Reichsdurchschnitt erreichten. [13]

Der Posener Geistliche, Historiker und Siedlungsgeograph Stanislaw Kozierowski spezialisierte sich 1934/35 auf die Erforschung der Geschichte Großpolens und Pommerns sowie auf Heraldik und Onomastik.
Sein wichtigstes Werk mit Bezug zum deutschen Sprachraum ist der
Atlas der geographischen Namen der westslawischen Gebiete (Atlas nazw geograficznych Slowianszczyzny Zachodniej) [3]. Obwohl in seinem wissenschaftlichen Wert umstritten [7], ist der Atlas von hohem normativem Wert und wurde  auch bei der Festlegung amtlicher polnischer Ortsnamen in den neuen polnischen Nord- und Westgebieten nach 1945 verwendet. Auszüge aus Kozierowskis Atlas sind in der Liste polnischer Exonyme für deutsche Toponyme [6] zu finden.

Die polnische Regierung forderte angeblich im Jahre 1933 mehrmals in Paris einen Präventivkrieg gegen Deutschland (die polnische Armee hatte damals noch die dreifache Mannschaftsstärke der deutschen) oder forcierte dieses Gerücht, um sich politisch bei den Westmächten abzusichern. [14]



Polnische Kartenwerke zu Pommern aus der Mitte der Dreissigerjahre
[Bild 3] zeigen eindeutig aggressiven anexionistischen Charakter. 
Die geheime militärische Organisation „Kaschubischer Greif“ (später in „Pommerscher Greif“ umbenannt) setzte solche Ziele 1940 konsequent in ihren Satzungen fort:
3. Der bewaffnete Kampf gegen den Feind mit dem Ziel der Befreiung des Vaterlandes (Pommern), Anschluss Danzigs, Ostpreußens und des Ostsee-Raums einschließlich Stettin und der Insel Rügen an Polen. (…)“ [10]
Die einseitig westliche Diplomatie des polnischen Aussenministers Beck gab den deutschen Nazis weitere populäre Vorwände für ihre spätere aggressive Polen-Politik.
[Bild 4]




Ortsnamen als Bluff

Vereinzelte pommersche Ortsnamensänderungen gab es schon im 19. und im frühen 20. Jahrhundert.
So wurde z.B. Kistowo, 20 km östlich von Bütow (Bytow), 1889 in Buchenfelde umbenannt.
Trzebiatkow (Trzebiatkowa) im Kreis Bütow (Bytow) wurde um 1906 zunächst etwas zaghaft in Tschebiatkow und dann 1929 resoluter in Radensfelde umbenannt. (Für letztere Umbenennung liess sich bisher keine glaubwürdige Erklärung finden.)

Massiv änderten aber erst die Nationalsozialisten Ortsnamen im deutschen Osten. So wurde in Mecklenburg bei vielen Dörfern der Zusatz „Wendisch“ gestrichen. Im Brandenburgischen wurden rund 175 slawische Ortsnamen verdeutscht, insbesondere „germanisierte“ man die Spreewalddörfer.
  In Schlesien brachte man es auf ganze 2700 verdeutschende Änderungen. Und im Regierungsbezirk Gumbinnen (Gussew) in Ostpreußen wurden von 1851 Gemeinden volle 1145 „aufgenordet“. [8]   So gesehen, waren die Änderungen der Ortsnamen in Pommern mit „nur“ 120 noch relativ harmlos.

Als Beispiele seien genannt
[Bild 5]:

Kreis Belgard (Bialogard):
- Seeligsfelde (Szeligowo) in Eichenfelde (Pom.) (1937)

Kreis Bütow (Bytow):
- Czarndamerow (Czarna Dabrowa) in Sonnenwalde (1928)
- Tschebiatkow (Trzebiatkowa) in Radensfelde (1929)
- Oslawdamerow (Oslawa Dabrowa) in Rudofswalde (1932)
- Pschywors (Przywora) in Adolfsheide (1934)
- Jellentsch (Jelencz) in Hirschfelde
  (1936)
- Pyaschen (Piaszno) in Franzwalde (1937)
- Polschen (Polczno) in Kniprode (1937)
- Lonken (Lakie) in Friedrichssee (1937)
- Klonschen (Klaczno) in Ulrichsdorf (Pom.) (1937)
- Zutowken (Zukowko) in Treuenfelde (1937)
- Lupowske (Lupawsko) in Grünenwalde (1937)

Kreis Neustettin (Szczecinek)
:
- Gissolk (Jeziorki) in Eichkamp (1937)

Kreis Rummelsburg (Miastko):
- Wendisch Puddiger (Podgory) in Puddiger (1937)

Kreis Schlawe (Slawno):

- Wendisch Buckow (Bukowo) in Buckow (Pom.) (1937)
- Wendisch Tychow (Tychowo) in Tychow (1937)

Kreis Lauenburg (Lebork):
- Charbrow (Charbrow) in Degendorf
  (1937)
- Chmelenz (Chmielienic) in Hammerfelde (1937)
- Chottschow (Choczewo) in Gotendorf (1937)
- Paraschin (Paraszyno) in Paretz (1937)
- Zelasen (Zelazno) in Hohenwaldheim (1937)
- Zinzelitz (Dziecielec) in Spechtshagen (1937)
- Sarbske (Sarbsk) in Sarsen (1937)

Kreis Stolp (Slupsk):
- Sagerke (Zagorki) in Brackenberg (1937)
- Bochowke (Bochowko) in Hohenlinde (Pom.) (1937)
- Deutschkarstnitz (Karzniczka) in Karstnitz (1937)
- Deutschplassow (Plaszewko) in Plassow (1937)
- Niemietzke (Podkomorzyce) in Puttkamerhof (1937)
- Wendischkarstnitz (Karznica) in Ramnitz (1937)
- Wendisch Plassow (Plaszewo) in Plassenberg (1937)
- Wendischsilkow (Zelkowo) in Schwerinshöhe (1937)
- Wendischbuckow (Bukowa) in Buchenstein (1937)
- Wottnogge (Otnoga) in Mühlental (Pom.) (1937)
- Viatrow (Wiatrowo) in Steinfurt (1937)
- Deutschbuckow (Bukowka) in Bukau (Pom.) (1937)

Kreis Regenwalde (Lobez):
- Radem (Troszczyno) in Friedrichsgnade (1938)

Verschiedene Eindeutschungen mögen an den Haaren herbeigezogen oder einfach ins Deutsche übersetzt worden sein. Z.B. Polschen (Polczno), Kreis Bütow (Bytow),  in Kniprode – Im Jahre 1354 hatten Hans von Hirschfeld und   Hans von Sonnenwalde 70 Hufen Felder und dazu das Seechen Pholtzen von einem Winrich von Kniprode erhalten. [17] Warum Klonschen (Klaszno) in Ulrichsdorf geändert wurde, bleibt völlig rätselhaft. Andere waren aber durchaus auch sinnvoll. So wurde Pyaschen (Piaszno) 1618-1620 als Frantzwalde gegründet von dem Pommern-Herzog Franz I. [17]

Allen Änderungen aber gemeinsam ist die politische Absicht, dass den Ortsnamen jeder Verdacht einer slawischen Herkunft genommen und eine anscheinend urdeutsche Wurzel gegeben werden sollte. Der feudale Grossgrundbesitzer Puttkamer hatte kaschubische Wurzeln!

Die polnischen Ortsnamen ab 1945 waren i.a. an die deutschen vor den Änderungen orientiert. Eine pikante Ausnahme, die analoge Gründe wie die der Nazis hatte: Das in 1937 in Puttkamerhof umbenannte Niemietzke im Kreis Stolp wurde polnisch Podkomorzyce. Die Puttkamers waren ja kaschubischer Herkunft.

Opportune Schreibweisen

Eine Besonderheit stellt neben den offiziellen Änderungen von Ortsnamen eine inoffizielle, schleichende Änderung der Schreibweise von Ortsnamen dar. Diese hatte aber ganz andere politische Hintergründe.
Es hatte sie zwar vereinzelt schon lange vor 1933 gegeben. Danach wurde es mehr und mehr beliebt, in einigen Verwaltungen, Schulen, Kirchen und vor allem Parteistellen die Schreibweise dem Trend der Zeit anzupassen.
  So passte z.B. eine schon in der Vergangenheit manchmal schon benutzte Schreibweise wie Großtuchen (anstelle von Groß Tuchen) besser zu „Großdeutschland“. Bis 1945 haben beide Schreibweisen, sowohl die offizielle als auch die „zeitgemässe“, nebeneinander existiert. [Bild 6]
Ähnliches galt für die geographischen Bezeichnung pommerscher Gebiete. „Hinterpommern“ war schon in den Zwanzigerjahren und erst recht in den Dreissigerjahren offenbar nicht mehr fein genug.
  So wurde der geographische Begriff oft in Schulatlanten oder Zeitungen ersetzt durch „Ostpommern“ oder auch (nicht immer konsequent) durch  „Mittelpommern und Ostpommern“. „Vorpommern“ blieb dagegen stets unangetastet.   [Bild 7]


Wer änderte Ortsnamen?

Die letzte Entscheidung über Änderungen von Ortsnamen hatte nach Preussischem Recht das Preussische Innenministerium, das aber offensichtlich die Entscheidung an den provinziellen Regierungspräsident in Stettin delegierte. (Siehe Bild 5)
Die Vorschläge kamen bis in die Dreissigerjahre von den Gemeinden. Danach sind möglicherweise von Nazi-Stellen zwingend Eingaben ohne Anhörung der Gemeinden gemacht worden. Dass diese aber oft lokal unterschiedlich ausfielen, zeigt eine Betrachtung
nicht geänderter Ortsnamen.

Es wurden keineswegs alle typisch slawischen Ortsnamen geändert. Z.B. blieb der leicht als slawisch erkennbare Name Zemmen (Ciemno), Kreis Bütow (Bytow), unangetastet. Zemmen kommt eindeutig vom polnischen oder kaschubischen ciemno und das ist „dunkel, finster“. Also hätte Ciemno die Bedeutung " Finsterwalde" . Stüdnitz (Studzienice) im Kreis Bütow (Bytow) blieb unverändert. Stüdnitz leitet sich vom polnischen studnia = Brunnen ab, hätte also " Quellendorf"   heissen können. Oder Nippoglense (Niepodgledzie) im Kreis Stolp (Slupsk) ist einwandfrei slawisch und das hat etwa die Bedeutung „ein nicht ansehnliches Dorf“. Man könnte noch viele Beispiele hinzufügen.
Es sind also keine übersehenen Ausnahmen, sondern bestimmte slawische Ortsnamen wurden auch von den Nazis nicht angetastet. Aber warum? Wirkte hier lokal letzten Endes doch noch die preussische Verordnung von 1908 nach, die eine Namenänderung verboten hatte, um die historischen Wurzeln nicht zu verfälschen? War die Verdeutschung slawischer Ortsnamen systematisch oder erfolgte sie doch eher zufällig nach politischer Ansicht und Antrag des jeweiligen Bürgermeisters oder nationalsozialistischen Ortsbauernführers?
Diese Fragestellungen bleiben offen.

Gültige Änderungen

Egal, ob einem die geänderten Ortsnamen sympathisch sind oder nicht: Sie sind als deutsche Version der polnischen Ortsnamen in Pommern juristisch immer noch gültig, weil sie durch ordentliche Verwaltungsakte erfolgt sind
Zunächst war nach 1945 der Gebrauch der deutschen Ortsnamen in Polen sowieso streng verpönt.
  So kümmerte sich natürlich auch niemand um die Rückbenennung der vor allem von den Nazis angeordneten Namensänderungen.

Bei Dörfern wie
Pyaschen (Piaszno), geändert auf Franzwalde, mag das nicht weiter aufregend sein.
Bei einem später so prominenten Ort wie
Gdingen, der nach 1920 in Gdynia polonisiert und 1926 eine Stadt wurde, dann 1939 deutsch in Gotenhafen benannt wurde, stellt sich die Frage aber schon ganz anders.  Das „Gotenhafen“ will uns zwar heute als Nazi-lastig nicht recht über die Lippen.  Aber so ganz abwegig scheint es doch auch wieder nicht zu sein. Hatte doch auch bereits 1926 Friedrich Lorentz als unumstrittener Forscher und Freund der Kaschuben über derartige Wortwurzeln zu Gdingen resümiert. [9]


Quellen:

[1] P. Fischbach,   Grosspomeisker slavische Flurnamen, Bütower Schlosskalender, Blätter für Heimatpflege im Kreis Bütow,  2.  Jahrgang Nr.1, April 1927

[2] Thomas Salein,
Ostpreussen – Ortsnamensveränderungen und ihre Bedeutung, http://home.acor.de/fritgen/ONamen2.htm, nach 1999

[3]
Stanislaw Kozierowski,   Atlas nazw geograficznych Slowianszczyzny Zachodniej. Zeszyt I (Slupsk, Kolobrzeg, Szczecin, Pila Nauka i Praca, Poznan 1934 Wydanie 2, Instytut Zachodni, Poznan 1945 Reprint, Archiwum Panstwowe w Szczecinie, Szczecin 1990

[
4]  Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jahresberichte für deutsche Geschichte aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938) , im Internet 2009

[5]
Bernard Piotrowski: Ks. Stanislaw Kozierowski - duchowny, uczony, patriota. [Pfr. Stanislaw Kozierowski - Geistlicher, Gelehrter, Patriot.] In: Zycie i Mysl, nr 3-4, 1987, s. 148-159

[6] Liste polnischer Exonyme für deutsche Toponyme
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_polnischer_Exonyme_für _deutsche_Toponyme, 2009

[7] F. Lorentz, Kritische Besprechungen in Baltische Studie N. F. 37, 1935, S. 299--302 und Zeitschrift  f. slav. Philol. Bd. 12, 1935, S. 459 bis 468.     

[8] Victor Klemperer, LTI – Die Sprache des Dritten Reiches, Aufbau Verlag Berlin 1947

[9] F. Lorentz , Geschichte der Kaschuben, Verlag Hobbing Berlin 1926, Seite 145 

[10] J. Borzyszkowski, D. Albrecht,
POMORZE – MALA OJCZYZNA KASZUBOW / KASCHUBISCH-POMMERSCHE HEIMAT, Zrzeszenie Kaszubsko-Pomorskie Instytut Kaszubski, Ostsee Akademie, Gdansk, Lübeck 2000                                         
 
[11] Max Bär und Walther Stepan, Die Ortsnamenänderungen in Westpreussen, Danzig 1912

[12] Martin Wehrmann,
Geschichte von Pommern, Verlag Perthes, Gotha 1921

[13] Dr. Michael Rademacher,
  Deutsche Verwaltungsgeschichte, Preussische Provinz Pommern, Dissertation Universität Osnabrück, 2006

[14] Marian Wojciechowski,
Die Polnisch-Deutschen Beziehungen 1933-1938, Leiden 1971, Stosunki polsko-niemieckie 1918-1938, 2. Auflage Poznan 1980

[15] Friedrich Lorentz,
Slawische Namen Hinterpommerns (Pomorze zachodnie), bearbeitet von Friedhelm Hinze, Akademie-Verlag Berlin 1964, Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

[16] Ernst Bahr,
Das Amt Bütow und seine Ortschaften um das Jahr 1637, Baltische Studien NF 54/1968, Seiten 36-53, bereitgestellt durch Studienstelle Ostdeutsche Genealogie in Herdecke

[17] Gerhard Bronisch,
Die Kunst- und Kulturdenkmäler der Provinz Pommern, Kommissionsverlag Stettin 1939



 
Groß Tuchen:
Geschichte, Kultur, Soziologie und Genealogie eines Dorfes in Hinterpommern



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